Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Freitag, 23. Januar 2009

Kultur:

Kultur: Entwicklung der Menschen und ihrer Lebensweise in der Geschichte, im Prozess ihrer Arbeit zur Aneignung und Umgestaltung der Natur und ihrer Tätigkeit zur Entwicklung und Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die dadurch entstehenden materiellen und ideellen Lebensbedingungen der Individuen, ihre historische Qualität sowie die sozialen Bedingungen ihrer Nutzung entscheiden über die historisch konkreten und sozial bestimmten Möglichkeiten und Formen der Persönlichkeitsentwicklung der Individuen und ihrer Lebensweise. Zugleich entsteht durch die >>vergegenständlichte Wesenskräfte des Menschen<< (Marx, MEW, Ergänzungsband 1. S. 543) in materiellen und geistigen Leistungen, sozialen Erfahrungen, kulturellen Traditionen und subjektiven Fähigkeiten die Möglichkeit einer ständigen Höherentwicklung der Gesellschaft und der Menschen, es vollzieht sich ein universalgeschichtlicher Prozess der >>Entwicklung der menschlichen Herrschaft über die Naturkräfte, die der sogenannten Natur sowohl, wie seiner eigenen Natur<< (Marx, Grundrisse, S. 387).
Zur Kultur einer Gesellschaft gehören die Gesamtheit der objektiven und subjektiven Ergebnisse menschlicher Tätigkeit, in denen sich die Entwicklung der Menschen ausdrückt; das jeweils historisch-konkrete Ensemble der Lebensbedingungen der Individuen, das die tatsächlich genutzten Ergebnisse menschlicher Tätigkeit und deren Weiterentwicklung umfasst; die Art und Weise, wie und mit welchen Ergebnissen die Individuen an der Produktion, der Verteilung, dem Austausch und der Nutzung des gesellschaftlichen Reichtums teilnehmen; die sich in der praktischen und geistigen Lebenstätigkeit herausbildenden sozial determinierten Bedürfnisse, Fähigkeiten, Genüsse und Produktivkräfte der Individuen; die Formen des sozialen Verkehrs und der geistigen Kommunikation in der Gesellschaft (einschließlich der dafür ausgebildeten Instrumentarien, Techniken und Zeichen); die die sozialen Beziehungen und das persönliche Verhalten der Individuen regelnden Erfahrungen, Gewohnheiten, Normen, Rechtsvorschriften, Traditionen und Wertorientierungen; die Bräuche, Kulte und Riten in der jeweiligen Lebensweise, die Formen der Geselligkeit, des Spiels und der Unterhaltung; die ideologischen Interpretationen und Reflexionen des Verhältnisses der Menschen zur Natur und seiner gesellschaftlichen Stellung und Perspektive in Kunst und Weltanschauung und deren Einwirkungen auf die gesellschaftlichen Verhältnisse und individuellen Verhaltensweisen; die Organisationen und Institutionen des Überbaus, die von historischen Gesellschaften, ethnischen bzw. lokalen Gemeinschaften, sozialen Klassen und Schichten geschaffen werden, um kulturelle Ziele zu verwirklichen (Bildungs- und Erziehungseinrichtungen, Kommunikationsmittel, Kultstätten, künstlerische Einrichtungen, religiöse Institutionen, wissenschaftliche Lehr- und Forschungsstätten, Organisationsformen von Geselligkeit, Unterhaltung, Erholung und Vergnügen).
Jede Kultur existiert in objektiver und subjektiver Form. Als objektive Kultur wirkt die Gesamtheit der schöpferischen Leistungen, die von der Menschheit in ihrer historischen Praxis geschaffen wurden und die sowohl in materiellen und geistigen Leistungen als auch in sozialen Erfahrungen und kulturellen Traditionen >>objektiviert<< sind. Zur objektiven Kultur gehören ebenfalls die stets neu und auf ständig erweiterter Stufenleiter produzierten Ergebnisse der aktuellen Lebenstätigkeit der Individuen. Kultur sind diese geschichtlichen im aktuellen Errungenschaften der menschlichen Lebenstätigkeit jedoch nur, wenn sie im gesellschaftlichen Leben tatsächlich angeeignet, genutzt und weiterentwickelt werden, wenn sie zum historisch-konkreten und sozial bestimmten Ensemble der Lebensbedingungen der Individuen gehören oder werden. Die subjektive Kultur einer Gesellschaft äußert sich im jeweils erreichten historisch-konkreten und sozial bestimmten Niveau der Bedürfnisse, Eigenschaften, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Genüssen und Produktivkräfte der Individuen sowie in deren Vermögen, zur Erhaltung und Fortentwicklung der Gesellschaft beizutragen.
Im Gegensatz zu bürgerlich-idealistischen Konzeptionen, die in der Kultur ein autonomes Reich der höheren Werte jenseits des praktischen Lebens der arbeitenden Menschen sehen, die Kultur auf das >>Seelische und Geistige<< jenseits des >>nützlich geformten Daseins<< reduzieren, versteht der Marxismus-Leninismus unter Kultur stets ein Ensemble objektiver Lebensbedingungen und individueller Eigenschaften. Die Arbeit ist die Grundlage jeglicher Kultur, alle Kultur entsteht durch die schöpferische Tätigkeit der Menschen in der materiellen und geistigen Produktion – ob es sich um die im gesellschaftlichen Reproduktionsprozess erzeugten Produktivkräfte der Gesellschaft und der Individuen handelt oder um einmalige schöpferische Leistungen besonderer Individuen: Werke der Wissenschaft und Kunst, Errungenschaften der Politik oder des Rechts, Veränderungen in der Natur und Fortschritte in der Gesellschaft. Durch die Arbeit und die gesamte Lebenstätigkeit werden die jeweils herausgebildeten Bedürfnisse und Fähigkeiten der Individuen in materiellen Produkten, geistigen Leistungen, sozialen Erfahrungen und kulturellen Traditionen vergegenständlicht. Das ermöglicht es nachfolgenden Generationen und späteren Gesellschaften und Kulturen, sich die Errungenschaften früherer Produktionsweisen und Kulturstufen anzueignen. In diesem Sinne regelt die Kultur die komplizierten Prozesse der sozialen Vererbung, die Bewahrung und Weitergabe der Traditionen und ihre ständige Veränderung und Fortentwicklung in jeder neuen Gesellschaftsordnung und Kulturstufe.
Die Kultur ist also Bestandteil und Ergebnis der gesamten menschlichen Tätigkeit, in der die Menschen ihre praktischen und geistigen Fähigkeiten vor allem durch die Arbeit vergegenständlichen und damit den Prozess der Entwicklung der Gesellschaft und des Menschen selbst praktisch realisieren. In der Kulturentwicklung drückt sich aus, inwieweit die Menschen sich aus der Natur herausgearbeitet haben, inwieweit sie zum Herren ihrer eigenen Vergesellschaftung geworden sind. Das ist zugleich ein ständiger Prozess der Entstehung, Entwicklung, Differenzierung und Veränderung der Bedürfnisse, Eigenschaften, Fähigkeiten, Genüsse und Produktivkräfte der Individuen. An der Kulturentwicklung haben die Angehörigen der verschiedenen sozialen Klassen und Schichten einen unterschiedlichen Anteil, sowohl was die Produktion wie die Nutzung der kulturellen Werte und Leistungen angeht. Schöpfer der Kultur sind sowohl die in der materiellen Produktion Tätigen als auch die geistig Schaffenden.
Die menschliche Kultur ist das Ergebnis der naturverändernden und gesellschaftsgestaltenden Tätigkeit der Volksmassen, die durch ihre produktive Arbeit und ihre Teilnahme an den politischen Kämpfen die Höherentwicklung der Gesellschaft und des Individuums praktisch verwirklichen. Darüber hinaus entstehen durch die Arbeit auch alle Voraussetzungen (Zeit, Material, Geld) für das geistige Schaffen und die künstlerische Kultur. Auch werden wesentliche Leistungen der geistigen Kultur erst wirksam durch die entsprechende >>Vergegenständlichung<< der Ideen. Insofern ist die Arbeit sowohl Kulturprozess als auch Grundlage der Kultur. Dieser Prozess trägt Klassencharakter, seitdem und solange es Klassen in der Gesellschaft gibt. W. I. Lenin hat nachgewiesen, dass sich im Kapitalismus zwei Kulturen unversöhnlich gegenüberstehen, die reaktionäre bürgerliche Kultur als die herrschende Kultur in der Gesellschaft und die Elemente einer demokratischen und sozialistischen Kultur, die von der Arbeiterklasse und der fortschrittlichen bürgerlichen Intelligenz geschaffen wird. Der Klassencharakter der Kultur wird von den ökonomischen, politischen und ideologischen Verhältnissen und ihrer sozialen Widersprüchlichkeit bedingt und ist selbst Ausdruck dieser Verhältnisse. In den antagonistischen Klassengesellschaften ist die herrschende Kultur stets die Kultur der herrschenden Klasse. Den Hauptanteil des gesellschaftlich geschaffenen kulturellen Reichtums eignen sich stets die herrschenden Klassen und ihr Anhang an, während die Werktätigen meist nur über jenen Anteil an der materiellen und geistigen Kultur verfügen, der für die Reproduktion ihrer Arbeitskraft unerlässlich ist. Dieser Gegensatz wird im Imperialismus auf die Spitze getrieben. Mit dem Übergang vom Kapitalismus zu Sozialismus ergibt sich die Notwendigkeit der revolutionären Umwälzung der Kultur und Lebensweise des Volkes durch die sozialistische Kulturrevolution.

 Aus: Kleines politisches Wörterbuch, sechste Auflage, Dietz Verlag Berlin 1986, Seiten 531/533.

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