Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Die Welten der Unterordnung – Gedanken zu einer Ausstellung -

Zwei Versuche sich mit einer Ausstellung auseinanderzusetzen. Der erste Versuch wurde gestern geschrieben, der zweite heute:
1.)        Die Welten der Unterordnung, beschränkt und altbacken kommt sie daher, in einer Ausstellung, welche sich zurzeit in der Blasiikirche in Quedlinburg findet und unter dem Titel „Unter Ordnung“ zu sehen ist. Die MZ wartet mit einem Bericht auf und die Reaktionen im Gästebuch der Kirche zeugen von einem gespaltenen Verhältnis der Besucher zur Ausstellung. Letzteres ist nicht schlecht, sorgt diese Ausstellung doch für Pollarisierung, wobei die Gründe des für und wieder sehr verschieden sein können und es auch sind. In der Kirche liegen einige Materialien zur Ausstellung aus, wobei diese Ausstellung durchaus erklärungsbedürftig ist.
Über dem Kirchengestühl hängen an Leinen Seiten aus der Bibel, festgeklammert mit Wäscheklammern und im Chorraum vor dem Altar stehen alte Trichterlautsprecher aus der DDR, aus welchen Marschschritte und ein Lied zu hören sind. Flieg Maikäfer flieg, was schon allein aus dem Grund nicht angebracht ist, weil die DDR der bis jetzt einzige Stadt auf deutschem Boden war, welcher keinen Krieg geführt hat, keine anderen Völker überfallen und eine offensive Friedenspolitik betrieb.
Zur Ausstellung findet sich eine Schrift, vier DinA4 Seiten, überschrieben mit „Zur Eröffnung der Ausstellung“, welche mitgenommen werden kann, letztlich sich aber als ein Werk ausgeprägten Irrationalismus entpuppt. Schwarz und Weiß, Gut und Böse als die Antipoden nicht nur vergangenen Seins wird hofiert und führen zu mittelalterlichen Denkansätzen zurück. Der Hexenhammer wird zwar nicht zitiert, dafür aber der Fernseh- und Modephilosoph Sloderdijk. Der Anspruch wird hoch gedeutet und so ist zu lesen: „Die Doppelinstallation formuliert also nichts Geringeres als eine Metapher auf die allgemeine Existenzbedingung – sind doch auch wir (das Ausstellungspublikum) gleichfalls eingespannt zwischen Oben und Unten, zwischen Himmel und Hölle, zwischen die konkurrierenden Weltdeutungsmodelle und sonstige Versprechungen von Politik und Religion.“ Wo allerdings das praktische Leben der Menschen zwischen den verschiedensten „Weltdeutungsmodellen“ bleibt, bleibt offen und so ziehe ich dann doch Marx mit seiner 11 Feuerbachthese „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern, “ vor. 
Ja die Lautsprecher als Verkündungsorgan, die festgeklammerten Blätter an der Decke kommen da schon etwas ruhiger daher, setzen aber die Fähigkeit des Lesens voraus, ohne allerdings gelesen werden zu können, suggerieren Bildung als Gegenpol zum beschalt werden. Illusionen verinnerlichend, wird die Gegenwart ausgeklammert, der Schein erweckt, dass Massenmanipulation der Vergangenheit angehört und es diese nur in der vor- und nachbürgerlichen Gesellschaft gab. Aber nicht nur hier werden die eigentlichen Verhältnisse auf den Kopf gestellt, in dem den Adressaten der Bibeltexte unterstellt wird, der Schriftsprache mächtig zu sein und den Beschalten in der DDR diese Fähigkeit indirekt abgesprochen wird, obwohl bekannt sein dürfte, dass die DDR über ein beispielhaftes Bildungssystem verfügte und die Menschen auf eine hohe Allgemeinbildung zurückgreifen konnten. Die Texte der Bibel hingegen wurden in erster Linie gepredigt, wobei die Zuhörer im ausgehenden Mittelalter und zum Beginn der Neuzeit meistens Analphabeten waren. 
Dem Schreiber des Textes stört, dass die Erinnerung an die DDR bei vielen Menschen wach ist, unterstellt dieses aber einem Sein unter Manipulation und nicht den realen Lebensbedingungen der Menschen, den Erfahrungen welche gemacht und den Erkenntnissen welche im Nachhinein gewonnen wurden. Selbst Brecht wird bemüht, versucht gegen Brecht zu verwenden und aus dem Zusammenhang gerissen zitiert.

Und doch hat diese Ausstellung etwas bewegendes, wenn sie in Raum und Zeit betrachtet wird, im Raum der Ausstellung, mit seinen Barocken Priechen und Ständen und in der Zeit, in welcher sie stattfindet, wo die Massenmanipulation allgegenwärtig ist und nicht nur altbackene Lautsprecher, oder beschriebenes Papier dieser dienen, sondern auch Rundfunk, Fernsehen, Internet und wo die Macht der Medien als die vierte Gewallt gefeiert wird. Aber der Manipulation hat auch die Kunst zu dienen, denn auch Kunst ist Ideologie, besonders gefördert wen sie zur Verklärung von Geschichte und zur Mythenbildung dienlich ist! Letztlich ist das Kunstwerk, wie auch erwähnte begleitende Schrift eine Kopfgeburt, welche die Beschäftigung mit dem Leben der Menschen vorgibt, an ihm angelehnt, aber ihm in keinem Falle gerecht wird.
Nun ja, diese Ausstellung in der Blasiikiche hat doch etwas Bezeichnendes, eher ungewollt, der Einrichtung geschuldet. Die Stände im unterem Bereich, entsprechend der Ständeordnung des Mittelalters, werden von den Blättern überdeckt, ihnen stehen die Lautsprecher frontal gegenüber, die Stände oberhalb, schauen auf diese hinab, sie sind über der Installation, diese als Mittel zum Zweck gebrauchend, die darunter sich befindlichen beherrschend, unter Umständen auch weil ihnen die Worte auf den Zetteln nicht zugänglich sind.
Noch ein Zitat aus dem begleitenden Text: „Das Wort – so oder so übermittelt – transformiert also die Adressaten zum Bestandteil des jeweiligen Systems, das einen Warnaufdruck nötig hat: Wer hinhört, hat verloren, wer liest, wird eingewickelt, wer sich auf das System einlässt, wird von ihm absorbiert. Hören - und nicht glauben, lesen – und besser nicht handeln, wären somit eine denkbare Maxime, eine mögliche Folgerung aus dem hier dargelegten künstlerischen Tatbestand.“ Also leget die Hände in den Schoss, verblödet, setzt euch nicht auseinander und verzichtet auf die verändernde Tat!
Das Wort übrigens transformiert nicht, mit dem Wort lässt sich höchstens Transformation ausdrücken, dabei sind die Adressaten in jedem Fall Bestandteil des jeweiligen Systems, es wird ihnen kaum möglich sein außerhalb des Systems zu stehen. Es lohnt auch über den vermeidlichen „Warnaufdruck“ nachzudenken, welcher letztlich zu Ignoranz, Analphabetentum und Leugnung bestehender Verhältnisse animiert. Denn nur wenn ich höre, erfahre ich, denn nur wenn ich lese, lerne ich, denn nur wenn ich mir der Umstände bewusst bin in denen ich lebe, kann ich erkennen und verändern.
Aber was ist schon Kunst?      

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